Fazit Japan – gemischte Gefühle

Nach zwei Wochen Japan haben wir uns sehr gut integriert. Wir gehen nur bei Grün über die Strassen, halten Abstand zu allen Mitmenschen, verbeugen uns permanent, essen so gut wie alles, ziehen Schuhe aus und Hotelpyjamas an und bewegen uns wie selbstverständlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Japan macht es einem leicht, zu reisen. Alle Sehenswürdigkeiten sind englisch beschrieben, Zug- und Busnutzung ist verständlich und die Hilfsbereitschaft bemerkenswert. Kulturell kann ein Land kaum mehr bieten, es gab unzählige Orte, Tempel oder sonstige Stätten, die wir sehr gerne auch noch gesehen hätten.

Warum also gemischte Gefühle? Fangen wir mal harmlos an:

Elektronische Helferlein: Nach reiflicher Überlegung bin ich kein Fan von Toiletten-Schnickschnack. Mit der Beheizung der Klobrillen wird so manches Mal übertrieben, und für mich fühlt es sich immer noch so an, wie wenn der vorherige Besucher gerade eben die Toilette verlassen hätte. Auch die Wasserspülungen vorne, hinten und an sonstigen Stellen sind nicht uneingeschränkt positiv: ist keine Föhnfunktion vorhanden, kann man sich mit Hilfe von Toilettenpapier erst einmal ordentlich trockenlegen, um sich wieder wohlzufühlen – macht das Sinn? Am schlimmsten finde ich aber die Tatsache, dass es hier eine völlig unsinnige Wasser- und Energieverschwendung betrieben wird. Ebenso überflüssig ist der Regenschirmabtrockner: er funktioniert nicht zufriedenstellend, einfach ausschütteln bringt mehr. Hier reiht sich auch das Fussmassagegerät ein: Wohlfühlfaktor haben wir beide (Schuhgröße 38 und 44) nicht empfunden. Einchecken bei Menschen ist immer noch angenehmer als bei höflichen Dinosauriern und im Hotelzimmer habe ich immer noch lieber einen Schrank anstatt eines LG-Stylers, um meine  Sachen aufzudampfen (könnte ich sie anständig aufhängen, müsste ich sie gar nicht aufdämpfen). Aber: ich gebe zu, ich mag Orangensaftautomaten. Da werden sichtbar echte gekühlte Orangen entsaftet und in ordentlichen Mengen in Becher abgefüllt. Das Ganz zum Preis von 350 bis 500 Yen, je nach Standort. Eine feine Sache!

Menschen: In Deutschland leben ungefähr 84 Millionen Menschen, in Japan 125. Die Fläche ist aber beinahe identisch (358.000 vs. 378.000 Quadratkilometer), daraus erschliesst sich schon das erste Problem. In Tokio leben rund 14 Mio Menschen. Und auch wenn die Japaner einen sehr guten Weg gefunden haben mit der Nähe umzugehen und es wirklich schaffen, direkten Augen- und Körperkontakt zu vermeiden so ist die Vielzahl der Menschen für uns ein echter Stressfaktor. Die Uniformiertheit der Menschen sucht seinesgleichen. Es mag daran liegen dass es hier weniger Vielfalt an Haut- und Haarfarben gibt (selbst wenn man hier ganz erstaunliche Haarfarben auch antrifft), ca. 99 Prozent der Japaner sind dunkel- bis schwarzhaarig mit dunklen Augen und sehr heller Haut. Die Herren tragen vorwiegend Farben von lebhaften Grau- oder Blautönen, bei den Damen reicht die Farbpalette von phantasievollem Schwarz bis hin zu sandigem beige, weiß oder sonstigen gedämpften Tönen. Kräftige Farben gibt es kaum. Jeder bewegt sich zielstrebig fort, man sieht übrigens auch niemanden in der Öffentlichkeit essen oder lachen und sich an den Händen halten erlauben sich maximal wenige junge Pärchen. Umarmungen oder gar Küsse haben wir niemals gesehen.

Architektur: Die Wolkenkratzer ragen in den Himmel und viel Leben spielt sich unterirdisch ab. Ich habe auf der ganzen Reise in keiner einzigen Stadt so wenig schöne Bauwerke gesehen, dabei spreche ich ganz bestimmt nicht von den historischen Tempeln, Burgen und Schreinen, sondern von den Zweckbauten wie Wohn- und Geschäftsgebäude.  Wie groß ist doch der Unterschied zu beispielsweise Auckland in Neuseeland wo so viele harmonische organische Formen das Auge erfreuen, wo Neues integriert neben Altem entsteht, wo geschmackvolle Elemente, Grünanlagen und Verweilplätzchen überall berücksichtigt werden. In Japan herrschen graue Klötze vor und Naherholung oder nette Plätze zum Verweilen gibt es kaum. Bänke zum Niederlassen sind selten und selbst wenn es einmal irgendwo eine Bank gibt, dann sitzt dort niemand. Die wenigen Grünanlagen sind sehr klein und das Grün stets züchtig geschnitten, nur ja nichts wild oder naturbelassen. In Osaka hatten wir ein Lieblingscafe, das im Erdgeschoss eines Wolkenkratzers lag. Die Besonderheit war, dass man auf der West- und auf der Ostseite jeweils einen Baum gesehen hat – der schönste Ausblick! Noch Fragen? Insgesamt ein absolut faszinierendes Land und ich würde tatsächlich gerne noch weitere Orte und Regionen bereisen. Allerdings würde ich es nicht als Erholungsurlaub buchen.

Als kleinen Abschluß noch ein paar Eindrücke unserer letzten japanischen Stationen Osaka und Himeji.

Ein japanisches 結論

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Ein Gedanke zu „Ein japanisches 結論

  1. Liebe Moni, vielen Dank für Deine sehr ausführliche Beschreibung Deiner Eindrücke in Japan insbesondere Tokio. Nun habe ich gar keine Lust mehr auf Japan, denn mir sind Farben, Lachen, Umarmungen – also alles was in Italien so schön und selbstverständlich ist – sehr wichtig!
    Darum hoffe ich für Euch, dann ich noch in ein warmes Land mit warmen Farben und Menschen reist bevor ihr wieder nach Hause kommt. Glücklicherweise werdet ihr in Paris wieder die ganze Pracht von Farbe, Form und Menschen eintauchen können.
    Freue mich schon auf DICH …

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